Vorsorgliche Entmündigung

Kennt noch jemand den Roman „Fürsorgliche Belagerung“ von Heinrich Böll? Darin geht es um eine „öffentliche Person“ die von Sicherheitsorganen so sehr geschützt wird, dass sie selbst und auch die Familie jede Privatsphäre verliert, wodurch die elementaren sozialen Bindungen, nämlich die innerhalb der Familie zerbrechen. Vor diesem Hintergrund lässt sich zwischen Gut und Böse, schützen und zerstören nicht mehr unterscheiden

Genau daran musste ich heute denken, als ich die Artikel zur umfassenden Bespitzelung der Weltbevölkerung durch die NSA las. Nicht dass das nun etwas völlig Neues wäre, wer sich schon mal mit Echelon beschäftigt hat, wer den Inhalt des Patriot Acts kennt, der nimmt den weiteren Baustein, nämlich die automatische Durchforstung aller E-Mails, Cloud-Konten, Chats und Skype-Gesprächen schulterzuckend zur Kenntnis. Dass die Vereinigten Staaten sich längst zu einem Überwachungsstaat par excellence gewandelt haben, in dem der Hoffnungsträger und Friedensnobelpreisträger Obama es noch bunter treibt als sein Vorgänger, das ist inzwischen Legion. Dass die so oft beschworenen Werte des Westens genau von dem Staat verraten werden, der sich als Führungsmacht der aufrechten Demokraten aufplustert, während US-Dunkelmänner obendrein noch Konzentrationslager und Folterknäste betreiben, die Economic Hitmen der NSA die Dritte Welt in die Überschuldung treiben und die Militätmacht Nr. 1 nach Gutdünken Angriffskriege anzettelt, muss inzwischen vor allem die Wertkonservativen und Transatlantiker besorgen, die Anti-Amerikanismus bislang für eine linke Attitüde hielten.

Viele dieser Maßnahmen finden sicher die Zustimmung der Mehrheit der US-Bürger, denn es ist ja gerade der Rest der Welt, der in der Hauptsache darunter zu leiden hat, und der Rest der Welt war den meisten Amerikanern immer schon völlig schnuppe. Ob die Bevölkerung von God’s Own Country nicht merkt, wie dünn das Eis ist, auf dem man sich bewegt? In der „Fürsorglichen Belagerung“ ist es schließlich der eigene Enkel, der das Haus des Protagonisten in Brand setzt, eben weil es nicht mehr sein „zu Hause“ ist. Auch die größte Bedrohung für die USA kommt nicht von außen, sondern von innen. Sie besteht darin, dass der innerste Kern, auf den sich bislang alle Amerikaner, egal ob Tea Party Leute, radikale Christen, liberale Intellektuelle, Flyovers einigen konnten, von der eigenen Regierung zerstört worden ist. Ohne echte geschützte Bürgerrechte, ohne Transparenz, ohne eine wirksame Kontrolle, die der Verfassung Geltung verschafft sind die USA ein Unrechtsstaat, wie die DDR und die NSA nicht besser als die STASI.

Note to self: Auf die Zunge gebissen. Musik: Eels, Zaz, Kabul Golf Club.

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